Doris Ash und Barry
Kluger-Bell
Identifying
Inquiry -
Woran erkennt man eigentlich Entdeckendes Lernen?
Originalfassung in:
INQUIRY Thoughts, Views and Strategies for the K-5 Classroom. National
Science Foundation, 2000.
Aus dem Amerikanischen übersetzt und bearbeitet von Ute Zocher.
Veröffentlicht
in: Looking Back and Thinking Forward.
Dokumentation der 12. Bundesweiten Fachtagung der Lernwerkstätten mit internationalen
Gästen, Calw 1999. Hrsg. v. Silke Angst, Karin Braun und Ute Zocher. - Pädagogische
Hochschule Heidelberg 2000, S.
Woran erkennt man eigentlich
Entdeckendes Lernen?
So ungefähr lautet die
Frage, die einem Artikel zugrunde liegt, in dem Doris Ash und Barry Kluger-Bell
versuchen, einen Kriterien- und Beobachtungskatalog zum Erkennen Entdeckenden
Lernens zusammenzustellen: Wie sieht das aus, wenn in einem Klassenzimmer
entdeckend gelernt wird? Was machen die Schüler, was die Lehrer? Wie ist
das Klassenzimmer gestaltet? Over
the past few years, professional developers have been developing markers
designed to help teachers recognize when inquiry is occurring in the classroom.
These indicators are shown below, in the tree guides that look at the special
characteristics of inquiry. (Ash/Kluger-Bell, S. 79)
In Anlehnung an das Vermont
Elementary School/Continuous Assessment Project wurde dieser Katalog für einen
hands-on, minds-on- orientierten Unterricht entwickelt. Die Zusammenstellung
soll nicht als Checkliste verstanden und verwendet werden, sondern
als eine Liste von Merkmalen, die im Rahmen von Entdeckendem Lernen von
Bedeutung sind.
Entdeckendes Lernen wird
in diesem Artikel und in der gesamten Publikation - sehr stark auf
naturwissenschaftliches Lernen (primary science/ Saunterricht) bezogen und
im Hinblick auf eine umfassende naturwissenschaftliche Grundbildung (Inhalte
und Fähigkeiten) betrachtet. Ich denke, dass diese naturwissenschaftliche
Ausrichtung, die beschriebenen Indikatoren an manchen Stellen etwas zu fach-
und sachspezifisch ausfallen lässt.
Die Bedeutung der eigenen
Frage, des persönlich bedeutsamen Prozesses im Sinne einer umfassenderen
Bildungsidee erscheint mir in dem Beitrag an manchen Stellen durch die Betonung
fachorientierter Konzeptentwicklung bei den Kindern überlagert zu werden.
Ich habe dennoch Ausschnitte
des Artikels übersetzt, weil ich diese Indikatoren-Liste an sich interessant
und als Idee hilfreich finde, um die komplexen Prozesse des Entdeckenden
Lernens und Lehrens in kleine beobachtbare und handhabbare Aspekte aufzugliedern.
Diese Vorgehensweise erleichtert m.E. die Betrachtung und Einschätzung des
Geschehens im Klassenzimmer und kann helfen, eigene Merkmale für den eigenen entdeckenden
Unterricht oder die eigene entdeckende
Lehrpraxis an Hochschulen/ Fortbildungsinstituten zu entwickeln. Die Beschreibungen
von Handlungs- und Verhaltensweisen könnten dazu beitragen, den Austausch
mit Kollegen zu konkretisieren und gleichzeitig die eigene Prozessreflexion
und Evaluation der Öffnung des Unterrichts anzuregen.
Nun also eine freie Übersetzung
des Kriterienkatalogs für inquiring Kinder, Lehrer und
eine entsprechend ausgestattete Lernumgebung.
Wenn
Kinder handlungs- und erfahrungsorientiert Sachunterrichts-Themen bearbeiten,
lassen sich folgende Dinge beobachten:
- Kinder nehmen sich selbst
als aktive Teilnehmer im Lernprozess wahr
- Sie freuen sich auf
die Sachunterrichts-Stunden.
- Sie zeigen ihr Bedürfnis
mehr zu lernen
- Sie suchen die Zusammenarbeit
und arbeiten kooperativ mit ihren Klassenkameraden.
- Sie haben Vertrauen
in ihre Erkundungen; sie zeigen die Bereitschaft, ihre Ideen
zu modifizieren, Unsicherheiten einzugehen, und sie versprühen einen gesunden
Skeptizismus.
- Sie respektieren Individuen
und deren unterschiedliche Sichtweisen.
Schüler nehmen die
Einladung zu lernen an und steigen schnell in den Erkundungsprozess ein.
- Sie zeigen Neugierde
und grübeln über Beobachtungen nach.
- Sie nehmen Zeit und
Gelegenheit wahr, um Dinge auszuprobieren, und trauen dabei ihren
eigenen Ideen.
Schüler planen und führen
Untersuchungen und Erkundungen aus
- Sie überlegen sich
eigenständig Untersuchungsmöglichkeiten, um ihre Idee zu erkunden,
und warten nicht darauf, dass man ihnen sagt, was sie zu tun haben.
- Sie planen Wege um
ihre Ideen und Erkenntnisse zu überprüfen, zu erweitern oder gegebenenfalls
auch zu verwerfen.
- Sie führen Erkundungen
aus, indem sie aufmerksam mit verschiedenen Materialien umgehen,
beobachten, messen etc. und ihre Ergebnisse festhalten.
Schüler kommunizieren
auf verschiedene Weisen
- Sie drücken ihre Ideen
auf verschiedene Arten aus: Journale, Tagebücher, Zeichnungen, graphische
Darstellungen, Karten, etc.
- Sie hören zu, sprechen
und schreiben über ihre Themen zusammen mit ihren Eltern, den Lehren und
den Mitschülern.
- Sie entwickeln eine
Sprache, die ihre Erkundungsprozesse zum Ausdruck bringt.
- Sie tauschen sich über
ihren jeweiligen und bisherigen Stand der Erkenntnis aus.
Schüler schlagen Erklärungen
und Lösungen für Fragestellungen vor und entwickeln eine Vielzahl von Konzepten
- Sie bieten Erklärungen
an, die sowohl ihre Vorerfahrungen als auch die aktuellen Erkenntnisprozesse
spiegeln.
- Sie nutzen Untersuchungen
und Erkundungen, um eigene Fragestellungen befriedigend zu bearbeiten.
- Sie sortieren Informationen
und entscheiden, was für sie wichtig ist.
- Sie sind bereit,
Erklärungen
zu überarbeiten und neue weiterführende Ideen zu überdenken.
Schüler entwickeln eigene
Fragestellungen
- Sie stellen Fragen verbalisiert
oder durch Handlungen.
- Sie stellen Fragen,
die sie zu ihren Erkundungen führen und aus denen wiederum weitere
Fragen und Ideen hervorgehen.
- Sie habe Spaß daran,
Fragen zu stellen, und sehen darin einen wichtigen Aspekt des
Entdeckens und des naturwissenschaftlichen Denkens.
Schüler machen Beobachtungen
- Sie beobachten sorgfältig
und genau, anstatt 'eben nur hinzugucken.
- Sie sehen Details,
suchen nach Mustern, entdecken Wiederholungen und Besonderheiten;
sie bemerken
Veränderungen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede.
- Sie stellen Bezüge
zu vorhergegangene Ideen her.
Schüler reflektieren
ihre Erkundungspraxis
- Sie entwickeln und
benutzen qualitative Indikatoren, um ihre eigene Arbeit einzuschätzen
und zu evaluieren.
- Sie beschreiben und
würdigen ihre Stärken und erkennen, was sie verbessern möchten/sollten.
- Sie reflektieren
gemeinsam mit Erwachsenen und ihren Mitschülern.
Welche Handlungs- und Verhaltensweisen können wir bei
einem Lehrer in einem solchen Unterricht wahrnehmen?
Lehrer modellieren
Verhalten und Fähigkeiten
- Sie zeigen Kindern,
wie man neue Methoden, Techniken oder Materialien verwendet.
- Sie unterstützen Kinder
darin, mehr und mehr Verantwortung für ihre Erkundungen zu übernehmen.
- Sie helfen Schülern
die Fähigkeit zu entwickeln, Prozesse aufzuzeichnen, zu dokumentieren
und Schlussfolgerungen daraus zu ziehen.
Lehrer unterstützen
den inhaltlichen Lernprozess
- Sie helfen Schülern,
tastende Erklärungen zu entwickeln, während diese in ihrem Verstehensprozess
voranschreiten.
- Sie führen passend
zum jeweiligen Inhalt Techniken, Materialien und wissenschaftliche
Ideen
ein.
- Sie benutzen die entsprechen
Fachbegriffe sowie eine angepasste wissenschaftliche und mathematische
Ausdrucksweise.
Lehrer nutzen verschiedene
Formen zur Einschätzung und Evaluation
- Sie reagieren sensibel
auf den Gedanken- und Lernprozess der Kinder und erkennen Bereiche, in denen
Kinder Schwierigkeiten haben.
- Sie sprechen mit
den Kindern, stellen Fragen, machen Vorschläge, teilen Gedanken
und interagieren.
- Sie bewegen sich
durch den Raum und sind für die Kinder ansprechbar und erreichbar.
- Sie helfen Kindern
den nächsten Lernschritt zu tun, indem sie ihnen angemessenen Tipps und
Ratschläge geben.
Lehrer handeln als Begleiter
- Sie stellen offene
Fragen (open-ended questions) und ermutigen die Kinder in Ihren Erkundungen,
Beobachtungen und Gedanken.
- Sie hören Kindern aufmerksam
zu, kommentieren und hinterfragen ihre Ideen, um deren Fähigkeiten
und Gedankenprozesse weiter zu entwickeln.
- Sie schlagen neue
Dinge/Aspekte vor, die beobachtet und ausprobiert werden können, und ermuntern die Schüler
zu weiterem Experimentieren und Nachdenken.
- Sie begleiten und
unterstützen
den Dialog und Austausch zwischen den Kindern.
Wie kann die Lernumgebung
Entdeckendes Lernen unterstützen?
Schüler arbeiten in
einer angemessenen und unterstützenden physischen Umgebung
- Der Raum ist so organisiert,
dass Gruppenarbeit und aktive Erkundungen gut möglich sind bzw.
angeregt werden.
- Eine Liste der Schüler-Fragen
ist für alle gut sichtbar ausgestellt.
- Eine Vielfalt von
allgemeinen/unspezifischen
Materialien ist sowohl auf den Tischen, als auch in leicht zugänglichen
Schränken vorhanden.
- Eine Vielzahl von
Materialien - spezifisch für den Arbeitsbereich, den die Kinder erkunden - ist leicht
zugänglich.
- Schülerarbeiten sind
in vielfältiger Weise ausgestellt, um ihre Erkundungen sichtbar zu
machen
Die Schüler arbeiten
in einem angemessenen und unterstützenden emotionalen Klima
- Ihr Denken ist erwünscht
und wird entsprechend gewürdigt.
- Sie haben Raum, um
ihre Ideen und Meinungen auszudrücken und laut zu sagen.
- Es ist einfach für
die Kinder, miteinander und mit dem Lehrer zu interagieren.
- Sie sind aufgefordert
und ermutigt, sich ihre Ideen untereinander mitzuteilen und darüber
zu diskutieren.
- Sie wissen, was sie
tun und warum sie es tun.
Schüler arbeiten in verschiedenen
Formen, die Kommunikation unterstützen
- Erkundungen können
zu zweit, in einer kleinen oder einer großen Gruppe gemacht werden;
auch die gesamte Klasse kann gemeinsam etwas untersuchen.
- Schüler haben häufig
Gelegenheit, einander zu antworten, Feedback zu geben und voneinander
zu
lernen.
- Schüler werden Teil
einer community of learning einer Lerngemeinschaft
in der man sich gegenseitig unterstützt und bereichert.
Inquiry
classrooms always involve engaging childrens intellect in exploring
and investigating interesting phenomena. The emphasis is on allowing and
assisting
children to find their own best pathway to learning. The indicators listed
here are meant to be one way to begin to determine if genuinely exciting
inquiry
learning is occurring.
(ebda. S. 85)